Durchführung einer Aufklärungskampagne zum Wohngeld

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umgesetzt

Noch nie wurde in Deutschland so ausgiebig über das Wohngeld gesprochen. Das ist gut, denn seit langem nehmen viele ihren Anspruch gar nicht wahr. Somit sind die aktuellen Reformen eine gute Gelegenheit, Menschen über ihre sozialen Rechte aufzuklären. Das fordern wir von der Stadtverwaltung im Rahmen einer Aufklärungskampagne. Außerdem wollen wir, dass das Land Sachsen-Anhalt den längst fertigen digitalisierten Prozess zum Wohngeld-Antrag hier vor Ort verfügbar macht:

Tausende Menschen in unserer Stadt schauen momentan unsicher in die Zukunft: Weil der Energiepreisschock nicht abreißt, sehen sich viele mit nicht mehr stemmbaren Wohnkosten konfrontiert. Bei den in Halle überrepräsentierten unteren Einkommensgruppen fraßen die Wohnkosten schon zuvor oftmals fünfzig Prozent oder mehr des  Nettoeinkommens auf[1]. Hinzu kommt grassierende Energiearmut bei gleichzeitig überbuchten Energieberatungs-angeboten.

Als Gegenmaßnahme hat die Bundesregierung in bisher drei Entlastungspaketen größtenteils zu Einmalzahlungen gegriffen. Regulatorische und kostenbegrenzende Maßnahmen sind hingegen entweder noch nicht umgesetzt oder nicht geplant. Als eines der Kernstücke muss daher die Ausweitung des Wohngelds betrachtet werden. Hier werden nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen gelockert, sondern mit der Einführung einer Heizkosten- sowie einer Klimakomponente auch direkt auf den Energiepreisschock reagiert. Die Bundesregierung geht daher von mehr als einer Verdreifachung der Beziehendenzahlen aus. Zudem soll in Zusammenarbeit mit den Ländern das Antragsverfahren vereinfacht werden[2].

Was jedoch in der allgemeinen Debatte untergeht, ist, dass viele Menschen ihren Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld gar nicht realisieren. Schätzungen zu Folge beziehen bis zu 60 Prozent und mehr Anspruchsberechtigte kein Wohngeld[3]. Während die Forschung im Bereich der Grundsicherung vor allem auf Scham als zentrales Motiv verweist, wird beim Wohngeld immer wieder darauf hingewiesen, dass das undurchsichtige und komplizierte Antragsverfahren Menschen eine Abschätzung ihres Anspruchs verunmöglicht. Hinzu kommt in Teilen der Bevölkerung auch schlicht Unwissenheit um das Instrument und seine Zielgruppe. So waren noch 2010 gerade einmal 19 Prozent die Leistungen des Wohngelds „ungefähr“ bekannt[4]. Ein große Verbesserung stellte dabei die Veröffentlichung des relativ übersichtlichen Wohngeldrechners der Berliner Senatsverwaltung[5] dar, der für alle Kommunen in Deutschland verwendet werden kann. Wichtig ist, dass  der Wohngeldbezug ein soziales Recht ist. Wohngeld sind also keine staatlichen Almosen.

Aus diesen Gründen sind eine Steigerung des Bekanntheitsgrads und insbesondere ein Verweis auf einfache Möglichkeiten den eigenen Anspruch zu prüfen essentiell, um Menschen mit geringem Einkommen in Zeiten des Energiepreisschocks zu entlasten. Dies betonte auch die Bundesbauministerin im Zuge der Vorstellung des Referentenentwurfs[6]. Die Stadtverwaltung kann hierbei auf vorhandene Netzwerke zurückgreifen und die eigenen Werbemöglichkeiten nutzen und somit bei vergleichsweise geringen Kosten eine große Entlastungswirkung erzielen. Ein Hinweis auf den Wohngeldrechner kann Bürger*innen ermutigen ihren Anspruch zu prüfen und schließlich zu realisieren, da er die Einstiegshürde des bürokratischen Antrags verschiebt. In Zeiten der Haushaltskonsolidierung bietet das Wohngeld zudem einen Ansatzpunkt, der abseits der Administration keine kommunal zu tragenden Kosten verursacht. Das Wohngeld kann somit in diesem Winter ein zentraler Baustein sein, um soziale Härten abzufedern. Dies sollte nicht an mangelnder administrativer Transparenz scheitern. Die städtischen Wohnungsgesellschaften haben bereits Bereitschaft signalisiert, in der Beratung zu dieser Leistung Unterstützung leisten zu können. Dieses Angebot sollte dringend genutzt werden.

Schließlich ist es ebenso wichtig, auf die steigende Zahl von Anträgen vorbereitet zu sein. Es ist vor dem Hintergrund der zukünftigen Bedeutung dieser Sozialleistung, der absehbaren Nachfrage und dem Bearbeitungsaufwand nicht nachzuvollziehen, warum das Land Sachsen-Anhalt die Nachnutzung der bereits entwickelten digitalen Version des Wohngeldantrages mit der niedrigsten Priorität führt. Dementsprechend sollte die Stadtverwaltung sich schon aus eigenem Interesse dafür einsetzen, diesen Missstand zu beheben.

Diese Initiative auf dem Bürgerinfoportal der Stadt Halle (Saale) einsehen

[1] BMWSB (2022): Referentenentwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Wohngeldes (Wohngeld-Plus-Gesetz)

[2] vgl. BMWSB a.a.O.

[3] Bruckmeier & Wiemers (2017): Benefit Take-Up and Labor Supply Incentives of Interdependent Means-Tested Benefit Programs for Low-Income Households. Comp Econ Stud 60, 583-604

Geyer & Buslei (2021): Einkommenswirkung und fiskalische Kosten der grünen Garantierente, DIW Berlin: Politikberatung kompakt, No. 165

[4] Bruckmeier, Mühlhan & Wiemers (2018): Erwerbstätige im unteren Einkommensbereich stärken: Ansätze zur Reform von Arbeitslosengeld II, Wohngeld und Kinderzuschlag. IAB-Forschungsbericht, No. 9/2018

[5] https://ssl.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohngeld/diwoformular.shtml

[6] vgl. Hoppe (24.09.2022): Wohngeld-Reform: So viel Geld sollen Leistungs-Beziehende erhalten, https://www.fr.de/wirtschaft/geywitz-wohngeld-reform-gesetzentwurf-wer-wie-viel-geld-wirtschaft-mehr-berechtigt-bundesbauministerin-zr-91805028.html