Kaum war das Sportparadies für gescheitert erklärt worden, wirft das nächste Großprojekt an diesem Standort seine buchstäblichen Schatten voraus. Das Bauvorhaben „Saalegarten“ am Böllberger Weg hat bereits zu einer großen Debatte zwischen der halleschen Bürgerschaft und der Stadtverwaltung geführt. Nachdem im Dezember 2020 im Planungsausschuss die Pläne für das direkt an der Saale gelegene Grundstück diskutiert wurden, beschloss der Stadtrat Anfang des Jahres die Aufstellung eines Bebauungsplans für das ehemalige Sportparadies-Areal. Entstehen soll auf der 3,3 Hektar großen Fläche ein massiver Wohn- und Gewerbekomplex in attraktiver Lage.
Teil des Aufstellungsbeschlusses für den Bebauungsplan Nr. 208 ist die Festsetzung der Baugebietskategorie „Urbanes Gebiet“. Die Baugebietskategorie bestimmt, wie und in welchem Maße eine Baufläche genutzt werden darf. Die recht neue Kategorie „Urbanes Gebiet“ wurde 2017 in die Baunutzungsverordnung (BauNVO) aufgenommen, um in Städten mit Wohnungsknappheit eine Nachverdichtung in Innenstädten zu ermöglichen. Bei der Einstufung als Urbanes Gebiet sind tagsüber höhere Lärmpegel zulässig und es kann höher und dichter gebaut werden.
„Wir halten es für rechtlich zumindest fragwürdig, wenn hier ein Instrument, das zur Nachverdichtung und zur Bekämpfung der Wohnungsknappheit eingeführt wurde, genutzt wird, um aus einem attraktiven Standort den maximal möglichen Gewinn rauszuholen. Weder besteht in Halle eine Wohnungsknappheit, noch kann am Saaleufer Nachverdichtung das Ziel sein. Damit halten wir die Festsetzung eines Urbanen Gebiets an dieser Stelle für nicht gerechtfertigt“, kritisiert Stadträtin Yvonne Winkler die Pläne der Verwaltung.
Die Einstufung als Urbanes Gebiet ermöglicht eine deutliche Anhebung der Grundflächen- und Geschossflächenzahl. Planer und Bauherr des Projekts „Saalegarten“ stellen etwa 49.000 Quadratmeter Wohn- und Gewerbefläche in Aussicht. Dies entspricht mehr als dem Dreifachen der Fläche des halleschen Marktplatzes, der sich auf 16.000 Quadratmetern ausbreitet. Der Entwurf unterschreitet somit nur knapp das zulässig maximale Bauvolumen, was sich im Falle des im Entwurf enthaltenen elfgeschossigen Turmes auf der Straßenseite am deutlichsten abzeichnet.
„Das vorgeschlagene Entwicklungskonzept ist aus Sicht unserer Fraktion der falsche Ansatz. Daher schlagen wir vor, das Areal als „Allgemeines Wohngebiet“ einzustufen. Das würde automatisch zu einer niedrigeren und in der Struktur kleinteiligeren Bebauung führen, die sich wesentlich harmonischer in den naturnahen Raum und das umliegende Gebiet einfügen würde, welche durch vier- bis fünfgeschossige vorwiegend gründerzeitliche Wohngebäude geprägt ist. Hinzu kommt der Aspekt einer höheren Durchlässigkeit zur Saaleaue. Von dieser Durchlässigkeit profitieren nicht nur Anwohnende, sondern auch aus nördlicher Richtung kommende Radfahrende sowie Fußgängerinnen und Fußgänger. Nicht zuletzt würde sich zudem die verkehrliche Erschließung des Gebiets einfacher gestalten“, erläutert Stadtrat Detlef Wend die Nebeneffekte der vorgeschlagenen Planänderung.
Eine Nachverdichtung ist in diesem Raum aus unserer Sicht nicht notwendig und baurechtlich anfechtbar. Die rechtlichen Bedingungen für die Festsetzung eines urbanen Gebiets sind an der Stelle nicht gegeben, da es sich weder um ein innerstädtisches Grundstück noch um eine Nachverdichtung handelt. Das Risiko, dass im Verlauf der Planungs- oder Bauphase Klageverfahren zum Stopp oder gar zum Abbruch des Vorhabens führen, ist unserer Meinung nach zu hoch. Der Stadtrat hat die Verantwortung eine nachhaltige Stadtentwicklung sicherzustellen.