Städtepartnerschaft mit Visaginas (Litauen)

Die Fahnen von Deutschland, China, den Vereinigten Staaten von Amerika und Armenien wehn vor dem Ratshof.

STATUS

beschlossen

Selten ist der Blick nach Osteuropa und deshalb oft verwundert: Was geht da vor in unserer Nachbarschaft? Städtepartnerschaften helfen einander kennenzulernen und besser zu verstehen – ein Prozess der mit dem 24. Februar 2022 noch wichtiger geworden ist. Wir wollen daher ein Zeichen setzen und mit der im Dreiländereck gelegenen Stadt Visaginas eine Städtepartnerschaft begründen – auch in Anerkennung jahrzentelangem Engagement aus der halleschen Bevölkerung.

Mit dem „Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ soll Halle zum Knotenpunkt der wissenschaftlichen und kulturellen Auseinandersetzung mit der weitreichenden Transformationserfahrung im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands werden. Darüber hinaus soll das Zukunftszentrum auch die Länder Mittel- und Osteuropas vor dem Hintergrund ähnlicher Umbruchserfahrungen und gemeinsamer Zukunftsherausforderungen stärker in den Blick nehmen. Dadurch ließen sich die Umbruchsrefahrungen und -leistungen der Menschen in Mitteleuropa würdigen sowie ein gesamteuropäischer Resonanzboden zum Thema Transformation schaffen, so der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider. Gerade nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 sei diese enge Verbindung mit unseren Nachbarn in Mittel- und Osteuropa besonders wichtig.[1]

Aktuell unterhält Halle acht Städtepartnerschaften: Oulu (Finnland), Linz (Österreich), Grenoble (Frankreich), Karlsruhe (Deutschland), Ufa (Russland), Jiaxing (China), Savannah (USA) und Gyumji (Armenien). Die aktuell ruhende Städtepartnerschaft mit Ufa (Russland) ist die einzige mit einer osteuropäischen Stadt. Zudem fällt auf, dass Halle mit seinen acht Städtepartnerschaften hinter vergleichbar große ostdeutsche Städte zurückfällt. So pflegt Erfurt elf Städtepartnerschaften[2], Chemnitz zwölf [3]  und Rostock vierzehn [4]. Alle drei unterhalten mindestens zwei Partnerschaften zu Städten in osteuropäischen Länder wie z.B. Polen, Tschechien, Lettland oder Litauen.

Wie die Stadt selbst in ihrer vom Stadtrat 2014 beschlossenen Konzeption zu Städtepartnerschaften und Städtefreundschaften (V/2014/12756) feststellt, können Städtepartnerschaften im Hinblick auf die Herausforderungen im modernen Europa eine wichtige Funktion übernehmen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat in Europa eine weitreichende Krise ausgelöst, die durch europäischen Zusammenhalt und Solidarität beantwortet werden muss. 

Partnerschaftliche Wurzeln reichen 30 Jahre zurück

Vor diesem Hintergrund sollte die Stadt Halle ihre partnerschaftlichen Beziehungen nach Osteuropa ausweiten. Das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara (EKH) unterhält bereits seit dreißig Jahren solche Beziehungen. Seit 1993 bringt das Hallenser Krankenhaus jährlich Hilfslieferungen zum städtischen Krankenhaus der Kleinstadt Visaginas im Osten Litauens. Das medizinische Personal beider Krankenhäuser steht seither in engem Austausch miteinander. An der Partnerschaft war der Hallenser und ehemaliger Wirtschaftsleiter des EKH, Werner Piontek, maßgeblich beteiligt. Er begleitete über Jahre hinweg die Hilfstransporte. Im Jahr 2009 wurde Pionteks Engagement mit einer Ehrenbürgerschaft in Visaginas geehrt.[5] Diese Partnerschaft sollte seitens der Stadt Visaginas bereits vor zehn Jahren ausgeweitet werden. 2013 bat die damalige Bürgermeisterin, Irena Rokickaté, in einem Brief an den Stadtrat von Halle um die Unterzeichnung einer Städtepartnerschaft. Sie stellte sich eine Zusammenarbeit auf den Gebieten Energie, Wirtschaft, Tourismus, Kultur, Bildung und Wissenschaft sowie Sport vor.[6] Auch heute noch besteht seitens der Stadt Visaginas großes Interesse an einer Städtepartnerschaft und an der Zusammenarbeit in den genannten Bereichen, wie ein offiziell an die Stadt Halle gerichtetes Schreiben aus Visaginas anlässlich der kürzlich erfolgten Partnerschaftsreise des EKH nach Visaginas Anfang Mai 2023 zum Ausdruck bringt. In dem Schreiben fragt der Bürgermeister von Visaginas, Jevgenij Šuklin, wieso die über viele Jahre entstandene Partnerschaft der beiden Krankenhäuser nicht auch auf höherer Ebene möglich sein solle. „Wir möchten sehr gerne mehr über die Aktivitäten Ihrer Stadt und ihrer Institutionen erfahren, Erfahrungen in den Bereichen Kultur, Bildung, Sport, Tourismus und Wirtschaft mit ihnen austauschen und bei der Entwicklung von Projekten auf verschiedenen Ebenen in für beide Städte relevanten Bereichen zusammenarbeiten.“[7]

Verbindende Transformationserfahrungen

Von einer Städtepartnerschaft mit Visaginas in den genannten Bereichen würde auch Halle profitieren. Visaginas wurde 1975 im Zusammenhang mit dem mittlerweile stillgelegten Kernkraftwerk Ignalina errichtet.[8] Als Bedingung für den Beitritt zur Europäischen Union musste Litauen das Kernkraftwerk schließen. Seit über zehn Jahren findet der Rückbau des Kernkraftwerks statt. Das hat einen Strukturwandel in der Region ausgelöst, der Ähnlichkeiten zum Strukturwandel der Mitteldeutschen Braunkohleregion aufweist und ähnliche Frage- und Problemstellungen aufwirft. Die litauische Regierung treibt unter der Führung der „Partei der Grünen und der Landwirte“ seither den Ausbau erneuerbarer Energien voran. Im Rahmen des Strukturwandels werden zudem besonders die Bereiche Tourismus und Kultur in Visaginas entwickelt. Das stillgelegte Kernkraftwerk ist zum touristischen Anziehungspunkt geworden. Visaginas wirbt auch mit seinen angrenzenden Wäldern und Seen, sowie mit dem neuen Kulturzentrum der Stadt um Touristinnen und Touristen. [9]

Die Region um Visaginas ist multiethnisch geprägt. In Visaginas leben nicht nur Weißrussen, Russen und Ukrainer zusammen, sondern auch Tataren, Polen, Deutsche und viele andere. Ethnische Litauer und Litauerinnen machen mit 20 Prozent die Minderheit aus.[10] In Visaginas lässt sich erleben, wie gut gesellschaftlicher Zusammenhalt und multiethnisches Zusammenleben funktionieren kann.[11] Zudem befindet sich Visaginas an der Grenze zu Belarus. Demokratische europäische Werte werden demnach in unmittelbarer Nähe zu einem autoritären antieuropäischen Regime gelebt.

Aus diesen Gründen fordern wir, dass die Stadt Halle (Saale) ihre Beziehungen zur Stadt Visaginas in Litauen ausweitet und eine Städtepartnerschaft prüft. Das bereits bestehende Engagement des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara in Visaginas soll gewürdigt und in eine mögliche Städtepartnerschaft integriert werden. Das ist auch der Wunsch des EKH. In einem aktuellen Schreiben an den Bürgermeister Egbert Geier und die Mitglieder des Stadtrates spricht sich die Leitung des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara ausdrücklich für eine Städtepartnerschaft mit Visaginas aus und verweist dabei auf die langjährigen Beziehungen zueinander.

Diese Initiative auf dem Bürgerinformationsportal der Stadt Halle ansehen. Dort finden sich auch das Schreiben aus Visaginas und des EKH.


[1] https://www.ostbeauftragter.de/ostb-de/themen/zukunftszentrum

[2] https://www.erfurt.de/ef/de/rathaus/sv/partner/index.html

[3] https://www.chemnitz.de/chemnitz/de/unsere-stadt/chemnitz-international/partnerstaedte/index.html

[4] https://rathaus.rostock.de/de/rathaus/international/internationale_verbindungen/partnerstaedte/279903

[5] https://www.mz.de/lokal/halle-saale/stadtepartnerschaft-visaginas-sucht-austausch-mit-halle-2049750

[6] Ebenda.

[7] Jevgenij Šuklin, s. Anlage 1

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Visaginas

[9] https://www.deutschlandfunkkultur.de/rueckbau-des-akw-ignalina-in-litauen-atomstadt-muss-sich-100.html

[10] Ebenda.

[11] https://www.goethe.de/ins/lt/de/kul/sup/lit/22221608.html